Donnerstag, 13. Januar 2011

Magie und Recht

Bei diesem Post kann ich endlich mal meine beiden Interessenfelder Recht und Skeptiker zusammenbringen. Eine kurze Vorwarnung: Es folgt eine sehr vorläufige Besprechung eines Urteils. Grundsätzlich sollte man Urteile nur dann beurteilen, wenn man sie auch gesehen hat. Da das sogleich zu besprechende Urteil aber noch nicht im Volltext verfügbar ist, kann ich mich nur an die amtliche Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes beziehen. Allgemein habe ich auf meiner Webseite schon mal etwas zur Bewertung von Urteilen geschrieben. Nachlesen kann sich anbieten.

Worum geht es?
Am heutigen Tag hat der Bundesgerichsthof eine Pressemitteilung über eine Urteil des 3. Zivilsenats veröffentlicht. Die Pressemitteilung können Sie hier nachlesen. Über die Seite www.bundesgerichtshof.de können Sie in einigen Wochen auch die vollständige Entscheidung nachlesen, was in jedem Fall sinnvoll ist (Einfach nach dem Aktenzeichen III ZR 87/10 suchen).

Die Überschrift der Pressemitteilung lautet "Bundesgerichtshof zum Anspruch auf Vergütung für Kartenlegen" - eine vielversprechende Überschrift also. Der Fall, den der Bundesgerichsthof zu beurteilen hatte, ist leider branchentypisch, auch wenn man das der Pressemitteilung leider nicht entnehmen kann. Es kann durchaus sein, dass sich die BGH-Richter dieses Umstandes nicht bewusst waren.

Der Fall: Die Klägerin ist als Selbständige mit Gewerbeanmeldung tätig und bietet Lebensberatung ("life coaching"), wobei sie ihre Ratschläge anhand der durch Kartenlegen gewonnenen Erkenntnisse erteilt. In einer durch Beziehungsprobleme ausgelösten Lebenskrise stieß der Beklagte im September 2007 auf die Klägerin. In der Folgezeit legte sie ihm am Telefon in vielen Fällen zu verschiedenen - privaten und beruflichen - Lebensfragen die Karten und gab Ratschläge. Hierfür zahlte der Beklagte im Jahr 2008 mehr als 35.000 €. Für im Januar 2009 erbrachte Leistungen verlangt die Klägerin mit ihrer Klage 6.723,50 €.

Die Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung zunächst einmal bestätigt, was schon die Vorinstanzen entschieden haben. Eine Leistung, die auf die Erbringung magischer oder übernatürlicher Dienste gerichtet ist, ist objektiv unmöglich. Aus diesem Umstand hatten die Vorinstanzenzen geschlossen, dass die Klägerin nach § 275 Abs. 1 BGB von ihrer Leistungspflicht frei wird, aber deshalb nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB auch keinen Anspruch auf die Gegenleistung habe. Diesen scheinbar zwingenden Schluss will aber der Bundesgerichtshof nicht ziehen. Lassen wir die Presseerklärung dazu sprechen: "Die Vertragsparteien können im Rahmen der Vertragsfreiheit und in Anerkennung ihrer Selbstverantwortung wirksam vereinbaren, dass eine Seite sich - gegen Entgelt - dazu verpflichtet, Leistungen zu erbringen, deren Grundlagen und Wirkungen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik nicht erweislich sind, sondern nur einer inneren Überzeugung, einem dahingehenden Glauben oder einer irrationalen, für Dritte nicht nachvollziehbaren Haltung entsprechen. "Erkauft" sich jemand derartige Leistungen im Bewusstsein darüber, dass die Geeignetheit und Tauglichkeit dieser Leistungen zur Erreichung des von ihm gewünschten Erfolgs rational nicht erklärbar ist, so würde es Inhalt und Zweck des Vertrags sowie den Motiven und Vorstellungen der Parteien widersprechen, den Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten zu verneinen. Nach den Umständen des Falles liegt die Annahme nicht fern, dass die Klägerin nach dem Willen der Parteien die vereinbarte Vergütung ungeachtet des Umstands beanspruchen konnte, dass die "Tauglichkeit" der erbrachten Leistung rational nicht nachweisbar ist." Allerdings lässt der Bundesgerichtshof dem Beklagten noch ein - bei der Schilderung des Sachverhalts nicht ganz fern liegendes -Schlupfloch: Er hält es für erwägenswert, den konkreten Vertrag als sittenwidrig zu betrachten. In diesem Zusammenhang dürfe nicht verkannt werden, dass sich viele Personen, die derartige Verträge schließen, in einer schwierigen Lebenssituation befinden oder es sich bei ihnen um leichtgläubige, unerfahrene oder psychisch labile Menschen handelt. Daher dürften in solchen Fällen keine allzu hohen Anforderungen an einen Verstoß gegen die guten Sitten gestellt werden.

eine erste Bewertung...
Da ich - wie schon gesagt - bislang nur eine Pressemitteilung kenne, kann ich hier naturgemäß nur ein paar Gedanken los werden, die Enstcheidung aber nicht wirklich bewerten.
Vertragsfreiheit ist sicher wichtig. Man kann auch durchaus den strengen Standpunkt vertreten, dass Verträge eben eingehalten werden müssen. Wenn sich also alle darüber einig sind, dass Magie nach wissenschaftlichen Kriterien wirkungslos ist, warum sollen sie dann darüber keinen Vertrag schließen dürfen? Genau bei dieser Annahme habe ich aber ein  Problem. Wer glaubt, dass ein Magier in die Zukunft sehen kann, der irrt. Er glaubt ja gerade, dass der Magier mit seinen Mitteln den versprochenen Erfolg erzielen kann. Der Kunde ist sich also gerade nicht darüber im Klaren, dass er sich auf eine unmögliche Dienstleistung einlässt. Ist er damit nicht schutzbedürftig? Insbesondere, wenn man an Fälle wie diesen denkt, in denen der Kunde einen beträchtlichen Teil seines Vermögens für solchen Aberglauben ausgibt. Ob es in allen Fällen gelingt, diesen Schutz über das Verdikt der Sittenwidrigkeit zu erreichen, dürfte zweifelhaft sein.

Ein Lichtblick der Entscheidung ist jedoch vor allem, dass Kartenleger sich wohl nicht darauf berufen können, die Legitimität ihrer Magie sei vom Bundesgerichtshof bestätigt worden. Jedenfalls hinsichtlich der Unmöglichkeit der Leistung lässt der Bundesgerichtshof keine Zweifel offen. Gleichwohl hätte man sich eine Entscheidung gewünscht, die letztlich irrende Verbraucher besser vor der skrupellosen Ausbeutung ihres Aberglaubens schützt, als es diese Entscheidung tut.

Nachtrag:
Ich bin nicht der einzige, der sich schon an eine Bewertung des Urteils gewagt hat. Der Hamburger Rechtsanwalt Dr. Jan-Peter Ewert kommentiert auf dem GWUP-Blog mit folgendem Fazit: "Schwieriger wird die Lage für Opfer von Quacksalbern damit aber allemal". Dem kann ich mich nur anschließen.

Und gleich noch ein Nachtrag (23:26): Auch Rechtsanwalt Udo Vetter sieht auf seinem Lawblog die Sache kritisch. Seine treffende Überschrift: "Auch heiße Luft darf berechnet werden". Besonders die Kommentare sind hier recht interessant.

1 Kommentar:

  1. Die bestehenden Aufklärungspflichten sind völlig ausreichend, um zu zufriedenstellenden Rechtsergebnissen zu gelangen. .- s."Astrologie und Recht" (Juristische Dissertation 2010)
    Volker H. Schendel

    AntwortenLöschen